El fin del mundo
- Ushuaia, Tierra Del Fuego, Argentina
- Feb 20, 2017
- 5 min read
Nach dem O-Trek haben wir uns in Puerto Natales gut ausgeruht und entlaust. Gleich darauf wollten wir von der nahe gelegenen Stadt Punta Arenas mit einer Cruise auf der Stella Australis nach Ushuaia, dem Ende der Welt, reisen, sofern sich ein gutes last-minute Angebot finden liess. Eine Kreuzfahrt mag spiessig klingen, aber das viertägige Programm der Stella Australis hatte uns überzeugt. Die Fahrt ging runter bis zum Cabo de Hornos und erkundete auf dem Weg dorthin die Fjorde und Gletscher der Tierra del Fuego, die anders wohl kaum zugänglich sind. Zudem war es ein heisser Tipp von der lieben Carmen, die diese Kreuzfahrt gemacht hatte. Enttäuscht stellten wir fest, dass die Kreuzfahrt ausgebucht war, was wohl zu den Nachteilen vom Reisen in der Hochsaison zählt. So schnell gaben wir Optimisten aber nicht auf und glaubten, die Tour nach vier Tagen in umgekehrter Richtung von Ushuaia nach Punta Arenas machen zu können. Auch diese Tour war online längst ausgebucht, aber wir waren fest davon überzeugt, dass bei 200 Gästen statistisch gesehen ein Paar ausfallen musste und wir schon irgendwie auf das Schiff kamen, wenn wir nur vor Ort am Hafen warten würden.
Wir machten uns also mit dem Bus auf den weiten Weg von Puerto Natales in den Süden nach Ushuaia. In Punta Arenas, der grössten Stadt Patagoniens, legten wir einen Zwischenhalt ein. Diese Stadt machte einen eher heruntergekommenen Eindruck auf uns. Die einst schönen Kolonialbauten aus dem 19. Jahrhundert zerfallen zusehends. Die Stadt, von der aus die Magellanstrasse überblickt werden kann, war einst eine Station einer der wichtigsten Handelsstrassen der Erde. Ihre Blütezeit endete allerdings mit der Eröffnung des Panamakanals, als die Schiffe nicht mehr durch die Magellanstrasse fahren mussten, um vom Atlantik auf den Pazifik zu gelangen. An diesem Abend genossen wir in einem Restaurant, das wir schon von unserem ersten Besuch in Punta Arenas kannten, eine leckere Pizza. Es tut gut, auf Bekanntes zurückzugreifen auf einer Reise, die täglich von neuen Erlebnissen geprägt ist.
Am nächsten Tag überquerten wir mit der Fähre die Magellanstrasse, benannt nach dem grossen Seefahrer, der als erster die Welt umsegelte. Zu unserem Glück vergnügte sich vor unserer Fähre eine Gruppe von Commerson-Delfinen. In Ushuaia, der wohl teuersten Stadt Argentiniens, verbrachten wir dann einen tollen Tag im nahegelegenen Parque Nacional Tierra del Fuego, wo uns eine angenehme dreistündige Wanderung durch Lenga-Wälder mit tollen Aussichten auf die Berge am Ende der Welt führte. Auf dem Rückweg in die Stadt, ca. vier Stunden vor der Abfahrt der Stella Australis, wurden wir langsam nervös. Würde es sich ausgehen, dass wir noch auf das Schiff kamen? Im Reisebüro eingetroffen, kurz vor Abschluss des Check-ins, fehlten noch fünf Passagiere der ausgebuchten Stella Australis. Ein ziemlicher Nervenkitzel als kurz vor Ablauf der Check-in-Zeit drei der Passagiere aufkreuzten, zwei fehlten aber noch immer und wir gaben die Hoffnung nicht auf... Es war lustig, da auch die gesamte Crew vom Reisebüro mit uns fieberte :-). Als dann der Check-in abgeschlossen war und die letzten zwei Passagiere noch immer nicht aufgetaucht waren, sahen wir uns schon an Bord des Schiffes. Doch dann kam der Anruf vom Hafen, dass die letzten beiden Passagiere sich direkt zum Schiff begeben hatten. So war die Passagierliste der Stella Australis komplett und wir etwas enttäuscht. Auf Statistik ist bekanntlich nicht immer Verlass. Wir redeten uns ein, dass wir keine „Kreuzfahrt-Typen“ sind und uns eh nicht wohl gefühlt hätten an Bord. Ausserdem hatten wir schon so viele coole Gletscher gesehen. In Wirklichkeit aber wussten wir beide, dass es nur zu nett gewesen wäre, vier Tage nicht denken zu müssen und an organisierten Touren teilzunehmen.
Nach einem feinen Abendessen im Restaurant Paso Garibaldi hat die Welt aber schon wieder besser ausgesehen und wir fassten Mut und planten die nächsten Tage. Der Flug nach El Calafate, von wo aus wir weiter nach El Chaltén reisen wollten, war schon gebucht für den nächsten Tag. Doch was wäre eine Reise nach Ushuaia gewesen, ohne dass wir die watschelnden Magellan-Pinguine beobachtet hätten? Obwohl wir wussten, dass es knapp werden könnte mit unserem Flug, entschieden wir uns für die längere Boots-Tour durch den Beagle-Kanal, die auch den Besuch einer kleinen Pinguin-Kolonie vorsah. So bestiegen wir am nächsten Morgen bei strahlend blauem Himmel – ein eher seltenes Wetterphänomen für Ushuaia – das Boot der Tolkien für unsere Tagestour. Kurz darauf hatten wir tolle Aussichten auf den Leuchtturm Les Esclaireurs, sowie die sich sonnenden Seehunde auf den Felsen der Bridges Islands. Rechter Hand sahen wir die Dientes de Navarino, eine beliebte Mehrtageswanderung, auf die wir verzichtet hatten, weil wir nach dem O-Trek genug vom Wandern im Regen und patagonischen Wind hatten.
Zu unserem Glück sichteten wir wenig später einen unerwarteten Gast für diese Reisezeit, einen Wal. Die genaue Art können wir uns leider nicht mehr erinnern, obwohl uns an Board einige lustige Wiener, darunter ein gewiefter Biologiestudent, mit vielen Details versorgten. Jedenfalls war das Tier ziemlich gross, so dass der Kapitän den Kurs mehrmals änderte und anhielt, um uns eine möglichst gute Sicht auf das edle Tier zu gewähren. Das verzögerte jedoch unsere Ankunftszeit im Hafen von Ushuaia. Nachdem wir auch noch den watschelnden Pinguinen einen Besucht abgestattet hatten, machten wir uns auf den Rückweg nach Ushuaia. Würden wir es noch auf unseren Flug schaffen? So schön der Tag auch angefangen hatte, so schnell zogen allmählich graue Wolken auf und mit starkem Gegenwind steuerten wir zurück zum Hafen. Es wurde uns immer klarer, dass wir keine Chance hatten, den Flug zu erwischen. Resigniert packten wir die Karten aus und fingen an zu jassen. Wir sahen uns schon wieder beim Abendessen im Paso Garibaldi. Als der Katamaran endlich in Ushuaia anlegte, waren es exakt 42 Minuten bis zum Abflug. Und wir Optimisten versuchten es eben doch! Als erste verliessen wir das Boot und steuerten unbeirrt auf den Taxistand zu, den wir schon beim Betreten des Bootes lokalisiert hatten. Der Taxifahrer wiederum erkannte die brisante Lage, ohne dass wir etwas gesagt hätten und brachte uns effizient und sicher zum 15 Minuten entfernten Flughafen. In Windeseile bezahlten wir und rannten mit den Rucksäcken zum Check-in Schalter, wo zum Glück niemand wartete. Wir konnten es kaum glauben, als wir ohne Erklärungsbedarf unser Gepäck aufgeben durften. Es kam nur die Bemerkung "llegan tarde“, die wir mit einem verschmitzten "Si“ bejahten und uns dann zum Gate begaben. Wir hatten es geschafft, die Freude war gross und wir hoben sogar fünf Minuten vor der geplanten Abflugzeit vom Ende der Welt in Richtung El Calafate ab!
Wir müssen zugeben, dass wir in dem Teil der Reise etwas unorganisiert unterwegs waren. So ist das unserer Meinung halt mit dem Spontan-Reisen. Man mag zwar so einiges durch die fehlende Planung verpassen, aber man erlebt durch die gewonnene Flexibilität meistens viel mehr.
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